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Sankt Petersburg Paradoxon

Dieses Paradoxon geht auf Daniel Bernoulli zurück, der zu dieser Zeit in Sankt Petersburg gelebt hat.
Es geht um ein Glücksspiel, bei dem man - unabhängig vom Einsatz - im Durchschnitt unendlich viel Geld gewinnt; trotzdem wird man sich beim Einsatz (paradoxerweise) eher zurückhalten.

Das Spiel geht wie folgt:

Man setzt eine gewisse Summe Geld (auf den Betrag kommt es rein mathematisch nicht an), danach wird so lange eine Münze geworfen, bis das erste Mal Zahl erscheint.
Fällt Zahl schon beim ersten Wurf, dann ist das Spiel beendet und der Einsatz verloren.
Da es mathematisch nicht auf den Betrag nicht ankommt, wird im Folgenden von einem Euro ausgegangen (ohne Beschränkung der Allgemeinheit).
Fällt Kopf beim ersten Wurf, dann bekommt der Spieler 1 Euro. Fällt auch beim 2. Wurf Kopf, dann bekommt der Spieler insgesamt 2 Euro.
Fällt bis zum 3., 4., 5., ... n. Wurf immer Kopf, dann bekommt der Spieler insgesamt 4, 8, 16, 2^(n-1) Euro.

Eine wichtige Einschränkung, die oft vergessen wird, ist die, (und erst dadurch wird die Sache überhaupt zum Paradoxon):
Es wird genau einmal gespielt (also bis zum ersten Erscheinen von Zahl).

Wenn also z.B. 6 Mal hintereinander Kopf, und dann Zahl fällt, dann bekommt der Spieler 2^5 = 32 Euro.
Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, 32 Euro zu gewinnen, ziemlich klein; dazu muss 6 Mal hintereinander Kopf kommen.
Die Wahrscheinlichkeit dafür ist P(6x hintereinander Kopf) = 1/(2^6) = 1/64 = weniger als 2%.


Das eigentlich interessante kommt jetzt:
Wie hoch ist der mittlere Gewinn E (der Erwartungswert) bei diesem Spiel?

Mit 50% Wahrscheinlichkeit gewinnt man 1 Euro. Mit 25% 2 Euro, mit 12,5% 4 Euro usw.
Also E = {1/2 * 1 Euro} + {1/4 * 2
Euro} + {1/8 * 4 Euro} + ... {1(/2^n) * 2^(n-1) Euro}, wobei die Summe bis unendlich fortgesetzt werden muss.
In den geschweiften Klammern steht offenbar immer der selbe Betrag, nämlich 1/2
Euro.
Also E = 1/2 + 1/2 + 1/2 + .....)
Euro = unendlich.
Man gewinnt also im Durchschnit unendlich viel Geld.

Dieses Spiel wird allerdings erst dann zum Paradoxon, wenn man fragt, wieviel Geld man hier setzen würde. Rein mathematisch wäre jede Summe gerechtfertigt, denn im MIttel gewinnt man ja unendlich viel. Praktisch wird man wohl kaum mehr als ein paar Euro setzen.

Warum?
Entscheidend ist die Tatsache, dass nur einmal gespielt wird.
Zunächst soll aus didaktischen Gründen der Fall beispielhaft untersucht werden, wo man das Spiel wiederholen darf.

Es bedeuten K: Kopf; Z: Zahl. Werte in Klammern nur zum besseren Verständnis, da das Spiel davor abgebrochen wurde.
Der Einfachheit werden 8 Spiele angenommen, und der weiteren Einfachheit halber sei angenommen, dass jedes Spiel nach spätestens dem 3. Wurf abgebrochen wird, selbst dann, wenn man 3 x Kopf geworfen hat (dies macht es mathematisch einfacher, ohne die Kernaussage zu verlieren)

Spiel
Nummer
Münze zeigt beim Wurf Nummer
Gewinn
 [Euro]
1
Z
(Z)
(Z) -1
2
Z
(Z) (K)
-1
3
Z
(K) (Z) -1
4
Z
(K) (K) -1
5
K
Z (Z) 1
6
K Z
(K)
1
7
K K Z
2
8
K K K 4
Gesamtbilanz

4

Bei 16 Spielrunden würde man im Mittel insgesamt 8 Euro gewinnen, bei 32 Runden 16 Euro, usw.
Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass man im Mittel auch tatsächlich die entsprechenden Beträge gewinnt, wird immer höher (geht gegen 1), je öfters man spielt.
Bei entsprechend häufigen Spielwiederholungen Gewinnt man also

1. so gut wie sicher, 
2. einen entsprechend hohen, "lohnenden" Betrag,

Die mathematische Erkenntnis ist die, dass man nicht nur "Im Mittel eine so-und-so-hohe Gewinnerwartung hat", sondern dass dieser Gewinn auch so gut wie sicher eintritt, nämlich in den nächsten Minuten.
Und damit wird das Spiel witzlos,  da man  lediglich im Sinne der oben gezeigten Tabelle vorgehen müsste, um einerseits einen "angemessenen" Einsatz zu bezahlen, andererseits jedoch einen mit Sicherheit höheren Gewinn einzufahren.

Nun zurück zum Fall, wo nur einmal gspielt wird.
Hier ist die Gewinnerwartung ebenfalls (beliebig) hoch, doch im Unterschied zu vorhin tritt dieser Fall praktisch nicht ein.
Offenbar ist es für uns Menschen nicht nur entscheidend, "wieviel man im Mittel" gewinnt, sondern auch, ob man mit einer vernünftigen Wahrscheinlichkeit überhaupt etwas gewinnt.

Ein etwas extremeres  Beispiel verdeutlicht dies:

Spielvariante 1:  Mit 100% Wahrscheinlichkeit gewinnt man 1.000 Euro.
Spielvariante 2:  Mit 10% Wahrscheinlichkeit gewinnt man 20.000 Euro. 

Spielt man Variante 1 10 mal, gewinnt man sicher 10.000 Euro.
Spielt man Variante 2 10 mal, gewinnt man "relativ sicher" (genau genommen mit 65% Wahrscheinlichkeit) 20.000 Euro oder evtl. sogar 40.000 Euro.
Hier werden die meisten Menschen sich wohl für Variante 2 entscheiden, da der Erwartungswert höher ist und der "erwartete Fall" auch mit vernünftiger Wahrscheinlichkeit eintritt .

dagegen:

Spielt man Variante 1 1 mal, gewinnt man sicher 1.000 Euro.
Spielt man Variante 2 1 mal, geht man "fast sicher" (genau genommen mit 90% Wahrscheinlichkeit) leer aus.

Hier werden die meisten Menschen sich wohl für Variante 1 entscheiden, da trotz deutlich höherem Erwartungswert der "erwartete Fall" kaum eintritt.
Man kann dies vergleichen mit dem Spruch "Lieber einen Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach"


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