Tiefkühlkost auf dem Postweg versenden
Trockeneis als sehr wirksame Kältequelle. Mit Rechenbeispiel
Tiefgekühlte
Ware per Post zu verschicken ist mittlerweile allgemeiner Stand
der Technik. Einige Onlinehändler bieten das an, und eine spezielle
Deklaration ist zumindest im Inland nicht erforderlich: Die
tiefgekühlte Ware wird als gewöhnliches Post Paket versendet, so als handele
es sich um nicht gekühlte Ware. Der Transportdienstleister wird oft nicht einmal Kenntnis von der Tiefkühlung haben. Wichtig
ist nur, dass die Ware rechtzeitig vom Empfänger
wieder einer regulären Tiefkühlung zugeführt wird.
Der
Versand erfolgt in Styroporboxen, die mit 2 cm Wanddicke nicht gerade
dick wirken. Der wesentliche Grund, der tiefgekühlten Versand bei
moderater Verpackung überhaupt ermöglicht, liegt in der Verwendung von
Trockeneis als "Kältequelle".
- Trockeneis ist gefrorenes CO2. Der Gefrierpunkt von CO2 liegt bei
-78°C. Gefrorenes CO2 geht beim Auftauen direkt in Dampf über, d.h., es
schmilzt nicht, wie etwa gefrorenes Wasser. Der kalte CO2 Dampf ist ein
sehr effektives Kühlmittel, weil er sich viel besser als Flüssigkeiten innerhalb des Kühlbehälters verteilt.
- Obwohl Trockeneis an sich schon sehr kalt ist, besteht das
wesentliche Kältereservoir nicht darin, sondern im Energieunterschied
zwischen -78°C kaltem, festem CO2 (Trockeneis), und dem ebenso kalten dampfförmigen CO2. Die
Energiezufuhr, die notwendig ist, um eine Menge an Trockeneis zu
verdampfen, ist nämlich sehr gross, wie folgender Vergleich zeigt:
- Die "Kältemenge", die man hineinstecken muss, um
eine bestimmte Menge -78°C kaltes gasförmiges CO2 zu Trockeneis
erstarren zu lassen (das dann dieselbe Temperatur hat, nämlich -78°C),
ist dieselbe, wie wenn man das bereits erstarrte Trockeneis um weitere
415°C auf -493 °C abkühlte. Das ist physikalisch natürlich unmöglich,
aber daran kann man gut erkennen, welch grosse Energiemenge im
Phasenübergang von CO2(fest) auf CO2(gasförmig) steckt.
Rechenbeispiel
Zunächst ein paar technische Daten von gefrorenem CO2 (Trockeneis):
Spezifische Wärmekapazität: 1,38 kJ/(Kg x K)
Sublimationsenthalpie: 572 KJ/Kg
Die Sublimationsenthalpie
ist diejenige Energie, die frei wird, wenn eine bestimmte Menge
gefrorenes CO2 zu gasförmigem CO2 verdampft (= sublimiert). Die Bezeichnung Enthalpie bedeutet eine Energie, und kommt aus
der Physikalischen Chemie. Dort werden historisch bedingt unterschiedliche Begriffe für Energie verwendet, um die jeweiligen prozesstechnischen
Randbedingungen mit einem einzigen Fachwort zu beschreiben.
Wenn man 572 KJ/Kg durch 1,38 kJ/(Kg x K) dividiert, dann kommt man auf die weiter oben bereits erwähnten 415°C.
Welche Menge Trockeneis wird benötigt, um ein bestimmtes Gefriergut
eine vorgegebene Zeit lang (z.B. Postweg: 1 Tag) sicher tiefgekühlt zu
halten?
Diese Aufgabe lässt sich für praktische Zwecke hinreichend genau ohne
höhere Mathematik lösen, also insbesondere ohne
Differentialgleichungen.
Dabei liegen folgende Annahmen zugrunde:
Gefriergut wird mit einer bestimmten Menge an -78°C
kaltem Trockeneis in einen isolierten Kühlbehälter gegeben. Ab diesem
Zeitpunkt verdampft das Trockeneis allmählich. Wenn die gesamte Menge Trockeneis
verdampft ist, dann wird der gesamte Inhalt des Kühlbehälters
allmählich wärmer. Diesen Erwärmungsvorgang zu berechnen erfordert
höhere Mathematik. Wir beschränken uns also auf die Zeitdauer, die die
Menge Trockeneis braucht, um zu verdampfen. Das ist diejenige
Zeitdauer, die das Gefriergut bei der vorgesehenen Kühltemperatur
verbringt. Wenn wir diese Zeitdauer als maximale Sendungsdauer
annehmen, sind wir auf der sicheren Seite. Allerdings kennen wir die
vorgesehene Kühltemperatur nicht. -78°C können es nicht sein, denn
erstens ist es vollkommen unnötig, das Innere des Kühlbehälters so kalt
zu halten, und zweitens müsste man das gesamte nutzbare Volumen mit Trockeneis
auffüllen, um angesichts der gegebenen Daten auf ausreichende nutzbare
Kühldauern zu kommen.
Es
ist sinnvoll, die vorgesehene Kühltemperatur ähnlich anzusetzen wie die
Temperatur in häuslichen Gefriergeräten, daher wird im Folgenden von
-18°C
ausgegangen.
Die Innenmasse der Kühlbehälter, mit denen der Verfasser vor kurzem tiefgefrorene Meeresfrüchte und andere Leckereien per Post erhalten hat, betragen
24,5 cm, 34,5cm und 13,0 cm.
Damit ergibt sich die Oberfläche der Innenseite zu 2 x (0,245m x
0,345m) + 2 x (0,245m x 0,13m) + 2 x (0,345m x 0,13m) = 0,32m2.
0,32m2 ist die Oberfläche, durch die die Kälte nach aussen verschwindet.
Der Kühlbehälter besteht aus Styropor mit einer Wanddicke von 2,0 cm.
Der Lambda-Wert von Styropor wird zu 0,035 W/(m x K) angenommen (typischer Wert für Styropor).
Die Verpackung mit Füllmaterial sei mit einem weiteren Zentimeter
Styroporäquivalent veranschlagt, was eine in Styropor umgerechnete
Isolationsdicke von 3 cm (0,03m) ergibt.
Die Temperatur um das Paket herum betrage konstant +22°C. Damit ergibt sich ein
Temperaturunterschied innen zu aussen von 22°C - (-18°C) = 40°C.
Damit ergibt sich eine Wärmedurchgangsleistung von P = 0,035 W/(m x K) x 40°C x 0,32m2 / 0,03m = 15 W = 0,015 KW
Jeder Kühlbehälter hatte 3 Trockeneispacks zu je 700g (Herstellerangabe), also insgesamt 2,1 Kg Trockeneis.
Die Zeitdauer bis zum Abschmelzen der gesamten Menge Trockeneis ergibt sich somit zu
572 KJ/Kg x 2,1 Kg / 0,015 KW = 80.400 Sekunden = ~ 22 Stunden.
Das Paket wurde laut
E-mail des Versenders um 14:00 Uhr verschickt, und am folgenden Tag vom
Verfasser um 09:30 entgegengenommen. Das entspricht einer
Kühldauer von 19,5 Stunden.
Bei Entgegennahme waren noch schätzungsweise 10% des Trockeneises
gefroren. Der Eisvorrat hätte also noch gut 2 Stunden, und damit
insgesamt ca. 22 Stunden gehalten.
Damit passt die weiter oben ermittelte Zeitdauer von 22 Stunden sehr gut zu den
Verhältnissen, die in diesem Fall tatsächlich vorgefunden wurden.