Doppelspaltexperiment in
einfachen Worten
Welle-Teilchen
Dualismus
Das Doppelspaltexperiment ist innerhalb der Physik zwar nicht aussergewöhnlich bedeutend, gehört aber zu den populärsten quantenmechanischen
Experimenten.
Er veranschaulicht eindrucksvoll, dass (hinreichend kleine)
physikalische Objekte manchmal als Teilchen, und manchmal als Welle
daherkommen; so wird es zumindest oft beschrieben. Das Ergebnis des
Doppelspaltexperiments ist so eindrucksvoll (und daher populär), dass
selbst Nichtfachleute die Ergebnisse interpretieren können: Es zeigt
den
Welle-Teilchen Dualismus unmittelbar auf.
In Wirklichkeit ist Materie beides gleichzeitig, oder präziser:
Es
entzieht sich grundsätzlich unserer Erkenntnis, was Materie wirklich
ist.
Erst wenn wir genau hinsehen, enttarnt sie sich entweder als Teilchen,
als Welle, oder als Mischung aus Beidem.
Die Heisenbergsche
Unschärferelation
erklärt das sehr anschaulich: Ein so genanntes Wellenpaket
vereint sowohl Teilchen als auch Wellencharakter: Man kann es
sich vorstellen als Welle mit einem Anfang und einem Ende.
Dieses Wellenpaket hat offensichtlich Wellencharakter. Je
kürzer das Wellenpaket ist, desto mehr tritt sein Orts-Charakter
hervor.
Eine reine Welle ist unendlich lang und hat demnach keinen
definierten Ort bzw. ihr Ort ist maximal unscharf. Wenn man sich das
Wellenpaket andererseits immer kürzer denkt (Anfang und Ende beliebig
nahe rücken lässt), dann wird man es irgendwann nicht mehr als Welle
erkennen, aber dafür wird sein Ort immer schärfer.
Das erste Bild zeigt ein breiteres Wellenpaket. Das zweite Wellenpaket
ist weniger ausgedehnt, und sein Ort daher schärfer definiert. Es hat
insgesamt
weniger Wellencharakter.
Die Eigenschaft
von Materie, sich je nach physikalischen Randbedingungen uns mal als
Teilchen und mal als Welle zu zeigen, nennt man
Welle-Teilchen-Dualismus.
Nun aber zum Doppelspaltexperiment. Wir beginnen wieder ganz
anschaulich.
Wir nehmen eine Holzwand mit zwei grösseren runden Löchern,
durch die man Fussbälle hindurchschiessen kann. Im Grunde könnte man
für alle weiteren Gedankengänge die Holzwand so belassen, doch es ist
zielführender, sie etwas zu verändern.
Wir ändern die Holzwand so, dass wir uns anstelle der
beiden Löcher zwei von oben nach unten durchgehende Spalte denken,
durch die ebenfalls Fussbälle gut hindurchpassen. Nun haben wir eine
dreigeteilte Holzwand, also einen grossen Doppelspalt vor uns. Hinter
der Holzwand, in
einigem Abstand, denken wir uns eine durchgehende Mauer, die alles was
durch die beiden Spalte hindurchfliegt, auffängt.
Doppelspaltversuch 1: Fussbälle
Es werden laufend Fussbälle auf die Holzwand geschossen. Ob und auf
welchen Spalt die Spieler schiessen, ist egal. Einige Bälle werden an
der Holzwand abprallen, andere werden durch einen der Spalte
hindurchfliegen und die dahinter stehende Mauer treffen. Diejenigen
Bälle, die die Mauer treffen, werden mit 100% Sicherheit durch genau einen
der Spalte hindurchgeflogen sein.
Man kann also für jeden hindurchgeflogenen Ball anhand von Beobachtungen eindeutig
sagen, durch
welchen Spalt er hindurchgeflogen ist. Es ist ausgeschlossen,
dass ein Ball jemals durch beide
Spalte gleichzeitig hindurchfliegt.
Wir könnten vor den beiden Spalten Kameras aufstellen, die für jeden
Ball einzeln festhalten, durch welchen Spalt er fliegt. Das alles mag
banal klingen, ist jedoch bewusst so ausführlich beschrieben. Warum,
erschliesst sich später.
Doppelspaltversuch 2: Wasser
Wir denken uns die Holzwand nun im Wasser stehend. Vor der Holzwand
wird ein grösserer Stein ins Wasser geworfen. Eine gleichmässige Welle
breitet sich kreisförmig aus. Die Welle geht natürlich auch durch die
Spalte der Holzwand, und hinter jedem der beiden Spalte breitet sich
wieder
jeweils eine Welle kreisförmig aus. Dies führt hinter der Holzwand zu
einem typischen Überlagerungsmuster, das etwas Ähnlichkeit damit hat,
wenn sich die Fahrwege zweier Boote auf einem See kreuzen. Auf der
Mauer hinter der Holzwand wird sich ein sogenanntes Interferenzmuster
ausbilden. Dass die Welle durch beide Spalte gleichzeitig hindurchgeht,
und hinten an der Mauer "komische Muster" (Interferenz) erzeugt,
wundert uns nicht, denn es ist ja eine Welle. Es ist für uns deshalb so
selbstverständlich, weil wir mit solchen Beobachtungen aufwachsen sind.
Wie das Interferenzmuster genau aussieht, ist für das grundlegende
Verständnis zweitrangig. Entscheidend ist lediglich, dass die Welle
nicht wie die Fussbälle im Versuch 1 nur an zwei bestimmten Stellen
hinten an der Wand ankommt, sondern in Form eines charakteristischen
Musters einen weiten Bereich auf der Wand abdeckt, also vor allem auch
solche Bereiche, die vom Einschlagspunkt des Steins aus überhaupt nicht
einsehbar sind.
Doppelspaltversuch 3: Licht
Die dreigeteilte Holzwand und die dahinter befindliche Mauer
denken wir uns jetzt stark verkleinert auf die Dimensionen eines
physikalischen Labors.
Statt der Holzwand also z.B. ein schwarzes Blech mit 2 Schlitzen, die
einerseits so schmal sind dass nicht einmal ein dünnes Stück Papier
hindurchpasst, andererseits so nahe beieinander liegen, dass man Mühe
hat sie mit dem blossen Auge auseinanderzuhalten. Und statt der Mauer
z.B. ein fuoreszierender Schirm, der anzeigt, wenn etwas auftrifft).
An das Licht, das wir gleich durch die Spalte hindurchschicken, braucht
man keine weiteren Bedingungen stellen, es funktioniert grundsätzlich
mit jedem Licht. Aus praktischen Gründen (die hier nicht weiter
interessieren) nimmt man jedoch Laserlicht.
Wir schiessen also Laserlicht auf die Spalte.
Da es inzwischen zum Allgemeinwissen gehört, dass Licht so etwas wie
eine Welle ist, überrascht es uns nicht, dass auf dem Schirm hinter dem
Doppelspalt
etwas Ähnliches zu sehen ist, wie im Versuch 2 auf der Mauer hinter der
im Wasser stehenden Holzwand: Ein Interferenzmuster.
Versuch 4: Das Doppelspaltexperiment
Das folgende Experiment wurde erstmals erfolgreich 1959 an der Uni
Tübingen durchgeführt (Doktorarbeit von Claus Jönsson). Seine Bedeutung
innerhalb der Physik ist deshalb
nicht ganz so hoch, weil der Nachweis des Welle-Teilchen-Dualismus
bereits ca. 30 Jahre früher durch Davisson und Germer gelungen ist.
Dafür zählt es zu den eindrucksvollsten
physikalischen Experimenten aller Zeiten, und zwar aus zwei Gründen:
0. Dass es ein
technologisches Meisterstück seiner Zeit gewesen ist, sei nur der Form
halber erwähnt: Spaltbreite ~ 0,5/1000 Millimeter; Spaltabstand ~
2/1000 Millimeter; wohl gemerkt "echte" Spalte in Metallfolien, nicht
lediglich optische Gitter.
1. Es liefert ohne Umwege ein direkt sichtbares und zugleich
anschauliches
Ergebnis (und das sogar innerhalb von Minuten), das auch von
physikalisch interessierten Laien verstanden wird.
2. Es lässt sich -im Gegensatz zum Davisson Germer Experiment (1925) -
dahingehend verfeinern, dass es grundsätzliche quantenmechanische
Fragestellungen in einer geradezu gnadenlosen Deutlichkeit beantwortet,
also nicht lediglich zahlenmässige Messwerte liefert.
Versuch 4a: Viele
Elektronen
Wie kurz zuvor schon erwähnt, wurde von Davisson und Germer bereits der
experimentelle Beweis erbracht, dass sich Elektronen unter bestimmten
Bedingungen als Welle zeigen (genauer: Welleneigenschaften haben und
nicht lediglich Teilchen sind).
Im originalen Jönsson Experiment wird ein Elektronenstrahl auf einen
Doppelspalt geschickt. Auf der hinter den Spalten befindlichen
Photoplatte ist zweifelsfrei ein wellentypisches Interferenzmuster zu
erkennen. Das ist zwar interessant, ist aber voll im Einklang mit dem
Davisson Germer Experiment und entsprach schon seinerzeit den
Erwartungen der Fachwelt. Im Prinzip also nichts Neues ....
... bis auf einen Punkt:
Das
Bild auf der Photoplatte entpuppt sich bei genauem Hinsehen als Wolke
von einzelnen
Punkten, deren unterschiedliche Dichte das Interferenzmuster
wiedergibt. Alle
Punkte sind gleich hell und gleich gross. Die
Auftreffpunkte der Elektronen sind demnach definierte, eindeutig
lokale, punktförmige Ereignisse.
Elektronen gehen also zunächst als Welle
durch beide Doppelspalte, und
realisieren sich kurz danach auf der Photoplatte als individuelle
Teilchen.
Versuch 4b: Einzelne
Elektronen
Seit ein paar Jahrzehnten verfügt man über die technischen
Möglichkeiten, einzelne Elektronen "abzufeuern".
Was sieht man
nun auf der Photoplatte?
Das Selbe wie bei Versuch 4a.
Einzelne
Elektronen gehen demnach zunächst als Welle durch beide
Doppelspalte gleichzeitig, und
realisieren sich kurz danach auf der Photoplatte als individuelle
Teilchen. Man kann auch sagen, das Elektron interferiert als Welle an
den beiden Spalten mit sich selbst.
Spätestens jetzt erhebt sich die Frage, durch welchen Spalt das
einzelne Elektron denn jeweils wirklich hindurchgeflogen ist.
Versuch 4c: Einzelne
Elektronen, mit Kontrolle
vor dem Doppelspalt
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, eine
"Durchflugskontrolle" experimentell zu realisieren.
Da die Resultate immer die selben sind, es also keine Rolle
spielt, wie man das technisch realisiert, wird hier auf eine genaue
Beschreibung
des Versuchsaufbaus verzichtet. Physikalisch entscheidend ist
alleine die Tatsache, dass man das Elektron dazu bringt, preiszugeben,
durch welchen Spalt es fliegt.
Was sieht man jetzt auf der Photoplatte?
Kein Interferenzmuster mehr,
sondern ein dem Versuch 1 (Fussbälle) entsprechendes Ergebnis: Zwei
getrennte Punktewolken, entsprechend der Geometrie der beiden Spalte.
Entfernt man die Kontrollvorrichtung wieder, und lässt alles Andere
unverändert, dann stellt sich wieder das granulare wellentypische
Interferenzmuster entsprechend 4a und 4b ein.
Die
Kontrollvorrichtung vor den Spalten fragt das Elektron nach dem "wo".
Dadurch "zwingt" man es, sich an der Kontrollvorrichtung als Teilchen
zu realisieren und als ebensolches bis zur Photoplatte ohne weitere
(wellenartige) Interferenz weiterzufliegen.
Da das Resultat
unabhängig von der Art der Durchflugskontrolle ist, kann man es auch so
formulieren:
Sobald man von
dem Elektron die Information über den Ort in Erfahrung bringt, verliert
es seine Welleneigenschaft. Das klingt philosophischer als es in
Wirklichkeit ist. Die wissenschaftlich korrekte Formulierung bezüglich
eines Elektrons, über das man noch nichts in Erfahrung gebracht hat,
lautet vereinfacht so:
"Das Elektron befindet sich in einem so
genannten quantenmechanischen
Zustand.
Dabei handelt es sich um eine höhere mathematische Funktion (genauer:
Operator), die die Wahrscheinlichkeiten für alle denkbaren
Messergebnisse (Ort, Impuls, Energie, etc.) beherbergt."
Konkrete Messergebnisse z.B. für den Ort
erhält man, indem man den so genannten Ortsoperator (der selbst
wiederum ein mathematischer Ausdruck ist) auf die mathematische
Funktion des quantenmechanischen Zustandes anwendet. Entsprechendes
gilt für die Anwendung des Impulsoperators, Energieoperators, etc.
Während der Messung, also nach der Anwendung des entsprechenden
Operators, verliert das Elektron seinen quantenmechanischen Zustand und
realisiert sich mit den in der Zustandsfunktion festgeschriebenen
Wahrscheinlichkeiten in ein Objekt, das mit menschlichen
Begrifflichkeiten beschreibbar ist (Teilchen, Welle).
Doch auch die wissenschaftlich korrekte Formulierung kann nicht
darüber hinwegtäuschen, dass man schlichtweg nicht weiss,
was ein Elektron in Wirklichkeit genau ist.
Die Quantenmechanik ist in sich sogar so aufgebaut, dass man das auch
in Zukunft nie wissen wird. Das ist also kein technologisches Problem,
sondern ein grundsätzlicher physikalischer Sachverhalt.
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