In
der industriellen Elektronik geht heutzutage nichts mehr ohne
standardisierte Stücklisten. Diese Stücklisten enthalten alle
bauteilrelevanten Informationen für die elektronische Baugruppenfertigung.
Waren früher die klassischen Bestücker als reine Fertigungsunternehmen
von den entwickelnden Unternehmen getrennt, sind die Unterschiede heute
fliessend. EMS Dienstleister (Elektronikentwicklung, Elektronikfertigung, Support) wie die Ihlemann AG bieten heute Dienstleistungen an, die über die klassische Fertigung weit hinausgehen.
Anhand
derselben Stücklisten, mit denen EMS Dienstleister umgehen, wird heute
standardmässig die Zuverlässigkeit von elektronischen Baugruppen
berechnet, was nicht selten als Grundlage für nachgelagerte
Sicherheitsbetrachtungen (--> Funktionale Sicherheit) dient.
Es gibt mehrere
Standards zur theoretischen Zuverlässigkeitsberechnung elektronischer
und elektromechanischer Baugruppen.
Der einzige bekannte mechanische Standard, NSCW 98, wurde für spezifische Komponenten in der Schifffahrtsumgebung entwickelt ("grobe Mechanik").
Standards für elektronische Komponenten gibt es dagegen mehrere.
Ohne Anspruch auf
Vollständigkeit gehören dazu:
MIL-HDBK-217
und Telcordia
(beide amerikanisch), Siemens 29500 (deutsch), HRD 5 (British Telecom),
CNET 93,
RDF2000
und IEC62380 (alle drei Französisch), 299B (chinesisch) und
PRISM bzw. 217Plus
(beide vom
RAC).
MIL-HDBK 217
ist zwar der bekannteste Standard, wird jedoch seit 1995 nicht mehr
gepflegt.
Telcordia ist der zweitbekannteste Standard. Da er gepflegt und weiterentwickelt wird, ist er auch aktuell.
Aktuelle Version : Issue 4
von 2016.
Alle diese Standards haben Folgendes gemeinsam:
Die Berechnung erfolgt zunächst auf Einzelbauteilebene (Transistor, Relais, Kondensator, Steckverbindung, Schalter,....). Anschliessend werden die Einzelbauteil fehlerraten auf Systemebene aufsummiert.
Serielles
Fehlermodell.
Der Ausfall eines jeden einzelnen Bauteils führt zum Gesamtausfall des
Systems.
Konstante
Ausfallrate.
Das Ausfallverhalten jedes Bauteils ist zufälliger Natur. Daraus folgt
direkt, dass die Ausfallrate konstant ist.
Für alle Einzelbauteile einer
Baugruppe ergeben sich unter Berücksichtigung der jeweiligen äusseren
Einflüsse und der charakteristischen Bauteiledaten bestimmte
theoretische Fehlerraten, welche in der Summe die Gesamtfehlerrate der
Baugruppe ergeben.
Der Kehrwert der
Gesamtfehlerrate ist die
MTBF.
Analysiert man nun ein
komplexes System aus vielen Baugruppen, so zählt man wiederum einfach
deren Fehlerraten zusammen und erhält somit eine Gesamtfehlerrate für
das Gesamtsystem. Der Kehrwert hiervon ist die MTBF des Gesamtsystems.
Enthält das System
Redundanzen, wird
es mathematisch aufwendiger. Dies
wird jedoch durch keinen einzigen Standard abgedeckt. Das Grundmodell
aller Standards ist rein serieller Natur (Man denkt sich alle
Bauelemente logisch in Serie geschaltet).
Fast alle äusseren Einflüsse
und charakteristischen Bauteiledaten (nur wenige Ausnahmen) gehen in
den Standards als Produktterme in die Einzelteil-Berechnungen ein.
Dies bedeutet, dass sich die
Fehlerraten der Einzelbauteile aus dimensionslosen Produkten aller
äusseren Einflüsse und charakteristischen Bauteiledaten zusammensetzen.
(z.B.: 0,3*3,4*1,8*...*0,9 =
8,753; die Faktoren werden einfach ausmultipliziert.)